Mehr über mich

Schon immer faszinierten mich Schiffe, auch kleine Jollen, die still im Wasser liegen und ich liebte Steine. Haufensteine, Steine auf Wegen, Steine im Wasser, Steine in Häusern.

Manchmal verschließen Steine auch Türen. Habe ich immer darauf gewartet, dass mein Leben irgendwann anfängt?

 

Als Kind fand ich auf einer Insel am Strand einen Stein. Sieht aus wie ein Schaf, dachte ich. Ich hielt den Stein scharf auf den Strich unterm Himmel, schob ihn in meine Anoraktasche und schaute weiter auf das Meer.

Steine verschliessen Fenster

Sehnsucht. Nachts lag ich oft wach. Nichts Besonderes. Warten auf den Morgen mit Fragen,

die wir in Schatten werfen. Nase aufgeschlagen, immer Lebenshunger, Liebe gesucht, Hände aufgerissen … unerfüllt. Den Stein habe ich heute nicht mehr.  Jemand lieh ihn und vergaß ihn zurück zu geben.  Die Gewissheit blieb.

Mein Porträt 1988
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Mit sechzehn weg von zu Haus. Hochschule in Rostock. Wieder am Meer.

Ich war achtzehn, als meine Tochter geboren wurde. Sie sagt heute, ihre Kindheit sei aufregend gewesen. Ich wurde Schauspielerin.

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Beruflich im Osten eine Nische, in der Sehnsucht, Freiheit und Träume gelebt werden durften. Fünfzehn Jahre Engagements an verschiedenen Theatern. Applaus. Erfolg macht noch lange nicht glücklich. Zwischendrin die Wende. Ich erlebte sie bei Proben, ein Bühnenstück für Kinder. Die Maueröffnung zerbrach mein Weltbild, öffnete Türen, verschloss alte Horizonte. Grelle Farben statt grau. Farben. Im Westen aß ich zum ersten Mal Kiwis.

Alles veränderte sich. Auch die Stimmung am Theater. Geschrieben und gemalt habe ich schon immer.  Ich dachte, ich müsse doch Frieden empfinden, bei allem  was ich tue. Bleibt dies aus, muss ich gegen alle gefundene Sicherheit hin zur Sehnsucht in meinem Herzen zurück, im Haus des Lebens weiterwandern.

 

Ausstieg aus dem Beruf. Verschiedene Jobs. Ich suchte Lebenssinn. Glück. Ich zog mit meiner Tochter nach Berlin. Ging Irrwege, Umwege, verstrickte mich im Geflecht ungeglückter Beziehungsstrukturen. Mein Menschsein umfing Leere. Damit war ich nicht allein. Irgendwann fing ich an, in der Schublade zu kramen, in der ein Stapel kleiner bunter Bücher lag. Sie hatten verschiedene Größen und verschiedene Einbände. Manche hatten viele beschriebene Seiten, in anderen standen nur wenige Worte. Meine Tagebücher. Jedes eine Metapher für einen Neuanfang. Jedes ein Atem. Jedes eine Sehnsucht.

Im Jahr 2000 flog ich für eine Freundin nach Jerusalem. Arbeit in einem katholischen Pilgerhaus. Nach fünf Stunden wollte ich abreisen. Ich bin geblieben. Das Paulushaus befindet sich gegenüber dem Damaskus Tor. Natürlich wusste ich um die Konflikte im Heiligen Land. Wonach ich mich sehnte war Ruhe. Was ich dort fand, war alles andere.

 

Ich arbeitete bei den Schwestern und wenn ich frei hatte, versuchte ich herauszufinden, was mich in diesem Land so eigenartig berührte. Kein Land, das ich bereist hatte, trug in seinem Innern so viel Aggression und keines so viel Liebe. Ein Land, das seine Heimat sucht. Heiliges Land? Alle hatten irgendwie einen Draht zu Gott und ich fragte mich: Warum spricht „Gott“ nicht auch mit mir? Die Schwestern stellten mir die Räume eines geschlossenen Naturkundemuseums zur Verfügung. Räume mit Geschichte. Geschlossen. Mein Atelier. Nachts, wenn es draußen zu laut war, um zu schlafen, habe ich gemalt, mit den Fingern direkt aufs Papier.

Irgendwann gab mir jemand seine Bibel, ein zerlesenes Büchlein mit vielen bunt markierten Zeilen. Farbe. Lachend fragte ich: „Da soll drinstehen, was hier vor 2000 Jahren passiert ist?“- Das war am See Genezareth zwischen Tabgha und Kapernaum. Steine am Wasser. Zwischen den Steinen lag Müll, am Horizont Syrien, die Golanhöhen. Ich begann zu lesen, lange, mittags bei 44 Grad Hitze. „Leg deinen Krimi endlich weg und komm rein!“- Ich ging ins Wasser.

Es war angenehm kühl. Mich berührte etwas. Ich wusste nicht was. Später in der Brotvermehrungskirche in Tabgha sah ich das Mosaik am Boden. Vor Jahren hatte ich ein Bild gemalt. Drei Häuser, ein Mensch und ein blauer Fisch. Sieht aus wie ein Kinderbild, hatte ich gedacht und wollte es eigentlich wegwerfen. Und jetzt strahlte vor meinen Füßen ein kleiner blauer Fisch. Immer war für mich klar gewesen, die Bibel sei ein Märchen. Hier holte mich etwas ein. Meine Seele fühlte sich an wie ein Reibeisen. Hier begegnete mir jemand. Hier kam jemand auf mich zu. Wer war dieser Jesus?

 

An einem Freitagmorgen lernte ich das „Vaterunser“ auswendig. Abends erhielt ich die Taufe, am nächsten Morgen die erste Kommunion. Mittags saß ich im Flugzeug mit einer Plastikflasche in der Hand, in der sich mein Taufwasser befand. Drei Stunden später stand ich an einem Förderband des Flughafen Berlin Tegel und wartete auf mein Gepäck. Ich wusste, mein ganzes Leben hatte sich verändert.

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Blick auf Jerusalem
Gazastreifen
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taufe-sylvia Wolff